gestern: Geschichtliches rund um den Kölner Ebertplatz |
Die Eigelsteinbrücke von der Marzellenstraße in Richtung Eigelstein gesehen. Durch Verblendungen sind jetzt die Auflager verdeckt. © Photo: Franke, 8.9.2002
Bei einer Suche im Internet fand ich die Homepage von Herrn Gerhard Lenssen ex. Als frischgebackener Ingenieur berechnete er die Brückenbogen an der Eigelsteinbrücke, die einen Kriegsschaden beseitigten. Diese Konstruktion hat sich seit 1950 bewährt und wird täglich von den Zügen von oben und durch Tauben von unten hart geprüft. Mit den Worten von Herrn Lenssen: "Inzwischen sind wohl über eine Million Züge darüber gefahren, aber an sein Erstlingswerk denkt man halt gern noch zurück." Auf meine Anfrage stellte mir Herr Lenssen seinen Bericht und die Photos zur Verfügung.
Vor dem Einsetzen, der 3. Träger am Kran. Dahinter steht noch ein Teil der Behelfsbrücke © Photo: Lenssen, Oktober 1950
„Als Kriegsteilnehmer (Jahrgang 1922) hatte ich das Glück schon im Herbst 1945 aus britischer Gefangenschaft entlassen zu werden und konnte so im Frühjahr 1946 an der TH Karlsruhe mit dem Bauingenieurstudium beginnen und fand nach bestandenem Diplom am 1.Februar 1950 bei der Brückenbaufirma Hein, Lehmann und Co in Düsseldorf eine Anstellung als Statiker. Diese Firma, die es inzwischen auch nicht mehr gibt, erhielt nach einer Ausschreibung den Zuschlag für die Eigelsteinbrücke und diese war auch die erste von mir allein berechnete Brücke." "Die Eigelsteinbrücke war im Krieg teilweise durch Bomben zerstört, speziell die fünf Träger für die Zufahrt zu Bahnsteig 1 und 2., ...die Trümmer waren natürlich schon längst entfernt, dafür war als Behelf eine Brücke aus horizontal liegenden Stahlträgern montiert worden, die meiner Erinnerung nach auch noch auf einer (oder zwei?) Zwischen-Holzstützen gelagert waren.“
„Wenn ich daran zurückdenke, komme ich ins Staunen, wie schnell das alles damals ging, denn wie gesagt, bereits zum Jahresende 1950 stand die Brücke. Geprüft hat meine Berechnung ein alter Reichsbahn-Oberinspektor, Vaupel war meiner Erinnerung nach sein Name; er sagte mir immer, "Sie werden das schon recht machen", was mir garnicht so recht war, als Anfänger hätte ich eine kritische Kontrolle durchaus geschätzt. Die Berechnung muss wohl noch irgendwo im Archiv der Bahn-Direktion Köln liegen. Als Planunterlagen für die örtlichen Abmessungen hatten wir alte Zeichnungen von der Bergisch-Märkischen Eisenbahn, ich glaube aus dem Jahre 1878, es waren in der Tat 'Blaupausen', blauer Untergrund mit weißen Konstruktionslinien.“
Einbau des 3. Trägers Oktober 1950 © Photo: Lenssen, Oktober 1950
„Was mich besonders schwitzen ließ, war der Umstand, dass jeder der fünf Träger eine andere Länge haben musste, da die Gleise in diesem Bereich bereits aufgefächert werden, um den nötigen Abstand für die Bahnsteige zu erhalten. Dazu muss man wissen, es handelt sich bei den Brückenträgern um Zweigelenkbögen mit zwischengehängten Tonnenblechen (auf denen dann der Gleisschotter und die Gleise ruhen). Im Gegensatz zu einer 'Balkenbrücke' spielt bei einer Bogenbrücke jeder Millimeter in der Stützweite eine Rolle: ist die Brücke zu lang, kommt sie zu hoch zu liegen, ist sie zu kurz, kommt sie zu tief; da die Auflager zur Aufnahme des Bogenschubes entsprechend schräg liegen müssen. Das Problem war nicht, die gewünschte Länge herzustellen, sondern sich auf die alten Pläne zu verlassen, ob die Stützweiten stimmten und von denen dann ausgehend die neuen zu errechnen; bei so um die 27 m Länge musste es auf den Millimeter stimmen. Damals habe ich die Systemmaße mit zehnstelligen Logarithmen gerechnet, braucht heute kein Mensch mehr, die ganze übrige Konstruktion aber nur mit dem Rechenschieber, den heutzutage auch kaum mehr einer kennt. Das jetzt beigelegte Bild zeigt genau den Moment des Absetzens des Trägers Nr.3, und ich war ziemlich erleichtert, als ich sah, dass er genau in der richtigen Länge- (und damit Höhe) zu liegen kam.“
Der Brückenbogen in Richtung Hbf gesehen. Links 2 Träger der ursprünglichen Konstruktion. © Photo: Franke, 8.9.2002
„Bei dem Bild von oben kann man auch sehr gut die frühere Konstruktion sehen, die wohl noch aus der Kaiserzeit stammt und nicht von Bomben getroffen worden war. Dort sieht man sehr gut, dass es eine genietete Konstruktion ist, damals konnte bzw. traute man sich noch nicht Brückenteile zu schweißen. Bei den fünf "neuen" von mir gerechneten Trägern wurde nicht mehr genietet, sondern geschweißt, man sieht dort also auch nur Schweißnähte, aber keine Niete mehr. “
Der Bögen der neuen Konstruktion. © Photo: Franke, 8.9.2002
„Wenn Sie nochmal hinkommen, sehen Sie sich die Stegfläche der Träger so etwa ein Meter vom Auflager entfernt an. Dort werden Sie eine vertikal verlaufende Schweißnaht finden. Ich hatte zur Übernahme der Auflagerkräfte eine Längsversteifung vorgesehen, Mein damaliger Chef sagte mir dann aber, machen Sie das anders, nehmen Sie im Auflagerbereich einfach ein dickeres Stegblech und verbinden das dann per Schweißnaht mit dem weiterführenden Stegblech des Trägers. Das ist billiger und sieht auch besser aus. So habe ich's dann auch gemacht.“